DAS VERFLIXTE 7. JAHR

3.5.-26.8.2018 Eröffnung 2.5.2018, 19:30 Uhr

Mit der Ausstellung „Das verflixte siebte Jahr“ präsentiert Fürstenberg Zeitgenössisch den siebten Jahrgang des 2011 auf Schloss Heiligenberg begründeten Förderprogramms. In ihren Arbeiten schließen die drei KünstlerInnen Trisha Baga, Kasper Bosmans und Catharine Czudej kulturelle Erinnerungen und Referenzen, Rollenbilder und Abstraktionen kurz.

Trisha Baga verschränkt in ihren Videoarbeiten und Installationen verschiedene Räume miteinander: die tatsächliche, nicht selten touristische Erschließung eines Ortes mit sprachlichen Erschließungsformen und Reflexionen, die vor dem Computerbildschirm oder andernorts stattfinden; Videoaufnahmen und Animationen, die sich manchmal offensichtlich, manchmal unauffällig überlagern, z.B. in Form von bunten Auswüchsen, die sich als Kaugummi entpuppen, durchgekaut und in Form gebracht. Diese Über- und Einschreibungen lassen narrative und materielle Staffelungen entstehen. in denen Baga menschliche Sehnsüchte, Besitzwünsche und Abspaltungen innerhalb einer Persönlichkeit thematisiert, die sich in einer fortwährenden Suche manifestieren, ebenso wie in einer Art des von etwas verfolgt Werdens. So auch in Bagas neuer Videoarbeit, die auf Schloss Heiligenberg und auf Sizilien entstand. Eine Taschenlampe beleuchtet kleine Ausschnitte, erlaubt die punktuelle Betrachtung, es folgen forschende Untersuchungen und Analysen, dazwischen sieht man Baga putzen oder im Dunkeln leuchtende Augen von Katzen und Hunden. Dazu erklingt immer wieder eine Melodie von Peer Gynt, die als das Pfeifen eines Mörders in die Filmgeschichte einging. Zum Vorschein kommen Subströmungen gesellschaftlicher Missstände, ohne dass Baga sie unmittelbar thematisieren müsste. Sie scheinen durch in den verschiedenen Identitäten, ihren Artikulationen und den Materialitäten, die zwischen Einzelelementen, modularem tool kit und symbolischen Abstraktionen changieren.

Kasper Bosmans künstlerische Arbeiten basieren in der Regel auf Anekdoten und anekdotischen Entdeckungen, die in einer historischen Recherche zum Vorschein kommen. Diese wird nicht in einem streng wissenschaftlichem Sinne ausgeführt, sondern auf der Grundlage von ästhetischen, oftmals symbolischen und allgemeinen Darstellungen. Das Allgemeine ist dabei kein Allgemeingültiges, sondern ein Kondensat von Bedeutungen, das in folkloristischen Ausdrucksformen, heraldischen und anderen existierenden Symbolen in neue Abstraktionen überführt wird. Ausgehend vom jeweiligen Ausstellungsformat und Ausstellungsort oder von aktuellen Ereignissen unternimmt Bosmans spezifische Anordnungen von Malereien, Skulpturen und Wandmalereien, die in ihrer Gesamtheit und ihren Bezügen kulturelle Erinnerungsformen aktualisieren, um ihnen subjektive und zeitgenössische Bedeutung beizumessen, die deshalb nicht weniger politische und (kultur)geschichtliche Ordnungen thematisieren. Herausgelöste Elemente verbinden sich zu neuen Lesarten, deren ästhetische Vertrautheit eine Nähe zur Dekoration aufweist, die Bosmans als kritisches und didaktisches Potential zu nutzen und zu rehabilitieren sucht. Diese Aspekte finden sich zum Beispiel auch in der gezeigten Wandmalerei, auf der sich eine Reihe gleichförmiger Häuser zu einem Fries aneinander reihen. In der Schönheit des Motivs eröffnet sich ein Widerspruch zwischen der Einfachheit und der Typisierung der Behausungen und der aufwändigen Dekorationsform des Frieses.

Catharine Czudejs popkultureller Ansatz verbindet alltägliche Objekte, kunsthistorische Referenzen und humorvolle Zitate zu einer objektbasierten, kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Bewegungen und Rollenbildern. Ihre doppelbödigen Werke hinterfragen unter anderen Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, indem sie mit ihnen Aspekte wie häuslich und privat, Verbot und Konditionierung in einer angeeigneten Do-It-Yourself Interpretation reflektiert. Czudej nimmt die Dinge beim Wort, backt Designmöbel in Brezelformen aus Salzteig nach, lässt sich von Youtube-Tutorials anregen, funktionierende Poliermaschinen für Billardkugeln zu bauen und auszustellen als Zeugen einer Form von körperlich-praktischem Wissen und dem zugehörigen Geltungsdrang. Was als amüsantes Phänomen gelten mag, bleibt auch in Czudejs Bearbeitungen nicht selten humorvoll, eröffnet aber zugleich einen Wahrnehmungsrahmen für gesellschaftliche Normierungen. In Donaueschingen zeigt die Künstlerin neue Arbeiten aus Pappe neben skulpturalen Wandarbeiten aus Epoxidharz. Eine Skulptur zeigt ein menschliches Gesicht bis zur Nasenpartie, dem ein Stück Seife im Mund steckt, die andere einen Arm, der einen spitzen Stock in ein Auge zu bohren scheint. Das Sehen und das Sprechen, die Wahrnehmung und die Kommunikation sind hier bedroht. Ein ebenso enger Rahmen wird den Pappkartons gesteckt, die nicht wie in Robert Rauschenbergs Pappserie selbständige Formen finden. Die Verpackung wird schön säuberlich verpackt und eingeschnürt zu einer normierten Anhäufung alltäglichen Lebens.   In einer jeweils eigenen, subjektiven Spezifität durchforsten Trisha Baga, Kasper Bosmans und Catharine Czudej Sinnhaftigkeiten und Rollenmodelle, die kulturell, politisch und ökonomisch in unsere Lebenswelt eingeschrieben werden. Sie verbindet der Versuch, sich mittels Überlagerungen und Überschreibungen, Spuren und Mythen ebenso anzunähern wie tradierten Darstellungsweisen. Anstelle normative Projektionsfläche zu sein, wie z.B. das Mädchen im titelgebenden Film, dient den KünstlerInnen die Annäherung an kodierte Verhaltens-  und Repräsentationsformen für die kritische Auseinandersetzung und den Versuch, Brüche und Widersprüche zu verhandeln, ohne wie der filmische (Anti-)Held an ihnen zu scheitern.

FEATURED ARTISTS

TRISHA BAGA
KASPER BOSMANS
CATHARINE CZUDEJ

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